Crime Involving Moral Turpitude? Was in aller Welt ist das denn?
Das U.S.-Einwanderungsgesetz hält mit wenigen Ausnahmen alle Ausländer für eine Visumserteilung oder auch die Einreise in die USA für untauglich, wenn der Ausländer verurteilt worden ist, oder Handlungen eingesteht, welche die wesentlichen Elemente einer Straftat gegen die Sittlichkeit (Crime Involving Moral Turpitude „CIMT“) erfüllen.
Diese Frage kommt ganz konkret auf, wenn Antragssteller die Online-Registrierung, also den ESTA-Fragebogen ausfüllen. Bewerber werden gefragt : „Wurden Sie jemals auf Grund eines Deliktes oder einer Straftat verhaftet oder verurteilt, bei dem/der ein Verstoß gegen die guten Sitten oder in Bezug auf Drogen vorgelegen hat, oder wurden Sie jemals verhaftet oder verurteilt auf Grund von zwei oder mehr Delikten, für die das Strafmaß zusammengenommen fünf Jahre oder mehr betrug, oder haben Sie jemals Drogen in Umlauf gebracht, oder reisen Sie zum Zwecke krimineller oder sittenwidriger Handlungen ein?” Die Frage in der Form DS-160 ist in diesem Zusammenhang noch weiter gefasst; so wird beispielsweise nach allen Verurteilungen gefragt. Dabei ist es nicht relevant, ob z.B. die Verurteilung nicht mehr im Bundeszentralregister auftaucht. Das amerikanische Einwanderungsrecht kennt in dem Zusammenhang keine Verjährung. So müssen z.B. auch Verurteilungen, die Jahre zurückliegen, angegeben werden.
Die Definition eines Crime Involving Moral Turpitude ist komplex, insbesondere wenn es beispielsweise um die Aufarbeitung von Urteilen nach dem Deutschen Strafgesetzbuch (StGB oder im Englischen: German Penal Code) geht. Die folgenden Informationen zeigen daher nur einige Grundsätze auf, die keine abschließende Rechtsberatung ersetzen.
1. Wann liegt ein Verstoss gegen die guten Sitten vor? Habe ich wirklich ein „CIMT“ begangen?
Generell ist eine Straftat, die gegen die guten Sitten verstößt gegeben, wenn dem Delikt Handlungsweisen zugrunde liegen, die von Natur aus auf niederen Beweggründen beruhen, anstößig oder moralisch verwerflich sind und zudem unvereinbar mit den allgemein anerkannten Regeln der Sittlichkeit und den Pflichten, die gegenüber anderen Personen und der Gesellschaft im Allgemeinen bestehen. Bestimmte Faktoren wie das Alter des Straftäters oder der Zeitpunkt des Deliktes können unter Umständen Einfluss darauf haben, ob ein Delikt als Straftat betrachtet wird, bei der ein Verstoß gegen die guten Sitten im Sinne des Einwanderungs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes (Immigration and Nationality Act – INA) vorliegt.
8 U.S.C. § 1182(a)(2), § 101(a)(43) des Einwanderungs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes (Immigration and Nationality Act – INA), 8 U.S.C. § 1101(a)(43) und die zugehörigen Verordnungen und Vorschriften im U.S.-Bundesgesetzbuch (Code of Federal Regulations) enthalten eine Auflistung von verschiedenen Delikten. Ebenso hat U.S. Citizen and Immigration Services (USCIS) eine 44-seitige Auflistung von vorwiegend U.S.-amerikanischen Straftatbeständen veröffentlicht, die unter folgendem Link abfragbar ist List of Crimes involving moral turpitude.
Die Verwaltungsrichtlinien des U.S. Department of State sehen z.B. Folgendes vor: Eine Verurteilung wegen einer Straftat beinhaltet einen Verstoss gegen die guten Sitten, wenn eine oder mehrere Straftatelemente moralische Verworfenheit enthalten. Die häufigsten Elemente des Verstoßes gegen die guten Sitten sind: (1) Betrug, (2) Unterschlagung, Raub und (3) Vorsatz von Personen oder Sachschäden.
Ebenso kann der Versuch, Beihilfe und Anstiftung zur Begehung eines CIMT selbst gegen die guten Sitten verstossen. Bei der Beurteilung des Vorhandenseins oder Fehlens eines Verstosses gegen die guten Sitten wird durch die Art der Straftat, für die der Ausländer verurteilt wurde, und nicht von den der Tat zugrundeliegenden Handlungen bestimmt.
2. Urteile nach dem Strafgesetzbuch (StGB)
Besonderer Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang der Auswertung von ausländischen Urteilen zu. So ist im Einzelfall zu überprüfen, ob ein Straftatbestand z.B. nach dem StGB (Strafgesetzbuch oder “German Penal Code”), dem Schweizer StGB (sStGB oder “Swiss Penal Code”) oder dem StGB in Österreich (öStGB oder “Austrian Penal Code”) ein Crime Involving Moral Turpitude ist. Im Visumsantragsverfahren muss dann ausgearbeitet werden, inwieweit das entsprechende Delikt nach U.S.-amerikanischem Recht strafbar ist. Bei der Aufarbeitung wird in einem ersten Schritt zuächst auf die im Urteil angewandten Strafrechtsparagraphen (Statutes of the Penal Code of Germany, Austria, or Switzerland) abgestellt, und nicht auf die Tathandlungen. Diese Auslegungspraxis ist als sogenannter Categorical Approach bekannt. Hat das Strafdelikt mehrere Alternativen, kann im Einzelfall in einem zweiten Schritt auf den dem Urteil zugrundeliegenden Sachverhalt Bezug genommen werden.
3. Rechtsfolgen
Mögliche Rechtsfolgen bei Vorliegen eines Crimes Involving Moral Turpitude sind, dass im Visumsantragsverfahren der Antragsteller als “inadmissible” entsprechend §212 (a)(2)(A) qualifiziert und das Visum abgelehnt wird. In den meisten Fällen, die unsere Kanzlei bearbeitet, muß dann ein sogenannter Waiver of Inadmissilbity Antrag beim Konsulat gestellt werden. Durch eine Waiver wird der Antrag gestellt, die Inadmissibility, also die Unzulässigkeit einer Visa-Ausstellung, auszusetzen. Auch der Waiver Antrag ist ein umfassendes Verfahren und bedarf genauester Aufarbeitung, in denen u.a. das Risiko der Einreise gegen die Schwerwidrigkeit der Tat abgewogen wird. Falls das Vorliegen eines CIMT unklar oder strittig ist, kann auch ein Gutachten (Advisory Opinion) vom Department of State eingeholt werden.
Desweiteren kann der Grenzbeamte eine Einreise in die U.S.A. verwehren. Auch der ESTA Antrag wird nicht akzeptiert, sollte ein CIMT angegeben werden, und es muß in den meisten Fällen ein Visum zusammen mit einem Waiver Antrag gestellt werden. Der Vollständigkeit halber ist in diesem Zusammenhang zu erwähnen, dass das Vorliegen einer Straftat selbst Green Card Inhaber betreffen kann, was einen gesonderten Problemkreis darstellt und und nicht Teil dieses Artikels ist.
4. Zusammenfassung
Die Feststellung, ob eine Straftat ein Crime Involving Moral Turpitude ist, richtet sich nach U.S.-amerikanischen Recht, unabhängig davon, wo die Verurteilung stattgefunden hat. Ob ein U.S. oder ein ausländisches Urteil gegen die guten Sitten verstößt, und daher das Visum abgelehnt oder die Einreise verweigert wird bzw. ein Waiver Antrag eingereicht werden muß, ist in den meisten Fällen eine komplexe Frage, die eine sorgfältige juristische Analyse der Sach- und Rechtslage erfordert. Leser, die glauben davon betroffen zu sein, sollten einen kompetenten auf das Einwanderungsrecht spezialisierten U.S.-Anwalt vor der Beantragung eines Visums oder der Einreise in die Vereinigten Staaten kontaktieren.